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turmlaute.1: Hungerturm
2006
Audio-Video-Installation
mit Texten von Dante Alighieri und Franz Kafka

Stimme: Anna Clementi

Video-Triptychon (Bildschirm) mit 7-Kanal-Audio (5 räumlich verteilte, orangegelb pigmentierte Lautsprecher), orangegelbem Licht und Fensterloch

audio-video-loop: 16 min.
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Thema der Installation ist Pathos. Ein Solo-Gesangsstück wurde komponiert, das Pathos generiert, und mit der Sängerin und Vokalperformerin Anna Clementi (Rom) eine audiovisuelle Aufnahme gemacht, die dieses Pathos in der Musik auf eine neue Art und Weise zeigt: einmal im sängerischen Durchlauf und anschließend als die Geschichte ihres Singens in Form von Videostills, als Stillleben, als „nature mortes“. Die verschiedenen Gesichtsausdrücke der Sängerin kommen in einer Deutlichkeit zum Vorschein, wie es im Konzert nicht möglich ist - aufgrund der andersartigen Zeitlichkeit: sowohl in den eingefrorenen Nahaufnahmen der stills als auch im Gesamtdurchlauf, wenn am Ende des Loops der Endzustand wieder auf den Ausgangszustand der Sängerin trifft, und aufzeigt, wie die Sängerin das Lied "durchlebt" hat.

Das Video-Triptychon zeigt einen Frauenkopf, die verschiedene Laute, Texte und Gesangspartien von sich gibt. Dabei vollzieht sie Bewegungen mit dem Kopf nach links, rechts, oben, unten. Das Videobild ist dreiteilig aufgebaut, in der Mitte ein singender Kopf, links und rechts ein lesender Kopf. Alle drei Bilder sind mit kurzem Zeitversatz gedoppelt, so dass sich die sich bewegenden Körperteile gesondert abzeichnen (der Mund bei den redenden Köpfen, die Mund-, Augen- und Kopfbewegungen bei dem singenden Kopf).
Die verwendeten Texte von Dante (Ugolino-Geschichte, L’inferno, 33. Gesang) auf italienisch und Kafka („Der Hungerkünstler“) auf deutsch handeln vom Hungern, von der ins Extrem getriebenen Beherrschung und Selbstbeherrschung, Macht und Ohnmacht – ob mit politischen oder quasi künstlerischen Absichten.

Die Komposition auf Dantes Text ist in einem altertümlichen Stil gehalten, ein Klagelied, das einen starken, mit Pathos=Leiden erfüllten Gesichtsausdruck evoziert. Dieser visuelle Ausdruck wird einmal fließend mit dem Gesang wiedergegeben (10min.). Danach wird er stumm wiederholt, in erstarrten Bildern, einer Folge von 33 Standbildern (6min), in deren langsamen Überblendung sich starke Verzerrungen bilden.
Der Kafka-Text wird doppelt und zeitversetzt gelesen, während des 16min.-loops insgesamt fünfmal und akustisch dabei immer stärker in die Höhe gefiltert, in drei Kurven des Verschwindens, bis zur Unhörbarkeit. Durch die Filterungen werden die gesprochenen Worte zu Geräuschen, die sich variabel in den Raum auf die fünf Lautsprecher verteilen. Akustisch ergänzt wird das Ganze durch Komprimierungstöne, die beim minderwertigsten MPG-Komprimieren von Rauschen entstehen.
Entsprechend den Bildverdoppelungen treten Gesangsverdoppelungen und Redetextvervielfachungen auf, die jedoch im Gegensatz zum Video variabel gehalten sind, also live per Computer erzeugt werden, so dass der Loop sich von Mal zu Mal verändert.

Installation im mousonturm Frankfurt

Die Besucher treten aus dem gelborange beleuchteten Aufzug in den dunklen Raum ein und blicken direkt auf das Video-triptychon. Der Raum ist vollkommen abgedunkelt - bis auf eine Stelle: ein Fensterstück wird mit gelboranger Folie beklebt, so dass mit dem Sonnenlicht ein entsprechend farbiges Viereck an der gegenüberliegenden Wand entlangwandert und ein entsprechend gefärbter Blick auf die Skyline der Frankfurter Banktürme möglich ist. An den Wänden sind fünf mit gelborangenem Pigment bestrichene Lautsprecher (ohne Gehäuse/nackt) unter den Lampen aufgehängt, die ebenfalls schwach gelborange scheinen.

Installation in der Turmruine von Olevano Rom.

Die Besucher treten in einen länglichen, abgedunkelten Raum mit z.T. rohen Felswänden, an denen 4 der gelb-orange pigmentierten Lautsprecher hängen, von kleinen Lämpchen beleuchtet. In der Mitte auf dem Boden liegt der Flachbildschirm mit dem Video-Triptychon. Seine Stereo-Lautsprecher sind auf die Seitenwände gerichtet, so dass von dort der Gesang zu kommen scheint. Ein Sichtfenster an der hinteren, eisenbeschlagenen Tür ist mit gelboranger Folie überzogen.

mousonturm Frankfurt (D) 24.Aug. - 9.Sept. 2006

mousonturm


Turmruine Olevano Rom. (IT)
16. - 23.Sept. 2006

Mit Unterstützung der Dt. Akademie Rom / Villa Massimo

villa massimo

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